"Ach seid ihr Pfadfinder?!" oder "Wandervogel, davon hab ich ja noch nie gehört!" sind typische Reaktionen,
wenn wir anderen begegnen oder uns als Wandervögel vorstellen. Nur noch selten trifft man jemanden, der damit
mehr anfangen kann, geschweige denn genaueres weiß.
Dabei gibt es in Deutschland über ein Dutzend Wandervogelbünde. Einige von ihnen sind bundesweit vertreten.
Der Weinbacher Wandervogel ist zwar nicht allzu groß, aber inzwischen in vielen Gegenden Deutschlands vertreten.
Unser Bund
Unser Bund wurde 1983 gegründet. Seitdem leben wir unser ureigenes Leben. Frei und nur uns selbst verpflichtet,
unabhängig von öffentlichen Zuschüssen, können wir ganz im Sinne der ursprünglichen Wandervogelidee
unsere eigenen Vorstellungen verwirklichen und müssen uns nicht äußeren Zwängen und den Vorgaben Dritter
(Kirchen, Parteien, Verbände, aktueller Politik usw.) beugen. Wir stehen in der Tradition der ursprünglichen
Wandervogelidee und sind deshalb als Bund weder religiös noch politisch engagiert und auf diesem sensiblen
Gebiet natürlich auch in keiner bestimmten Richtung gebunden.
Anspruch und gesellschaftliche Herausforderung
Doch was ist es, was heute einen Wandervogel, was uns als Bund auszeichnet, was die Wandervogelbewegung über
hundert Jahre hinweg hat weiterleben und zeitlos werden lassen?
Zur Entstehungszeit des Wandervogels, zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging es erst einmal darum, Freiräume und
Möglichkeiten für ein eigenes, alternatives Leben in der Natur zu schaffen.
Heute hat die Jugend diese Freiheiten. Lehrer, Eltern, die "obrigkeit" sind keine unfehlbaren Autoritäten mehr.
Aber dennoch gibt es auch in unserer heutigen Zeit eine ganze Reihe von Zwängen, denen Jugendliche unterworfen sind.
Man frage nur mal die Jungen unserer Gruppen, wie schnell man ins Abseits gelangen kann, wenn man nicht den neuesten
Mode- und Musiktrends folgt. Heute ist weniger autoritäre Bevormundung das Problem, sondern vielmehr die Bevormundung
durch Mode-, Massen-, und Angleichungstrends, der Verlust von orientierungsgrößen, die fortschreitende Aufweichung
unseres Wertesystems und die zunehmende Verdinglichung und Entpersonifizierung des Einzelnen.
Es kommt kaum noch auf die Persönlichkeit und das Wesen des Einzelnen an, sondern sehr oft in erster Linie auf
Äußerlichkeiten, die "Verpackung", die Gruppenzugehörigkeit, die sich zum Beispiel durch das Tragen bestimmter
Kleidung und Haarfrisuren, in der Huldigung bestimmter Musikgruppen oder der Zugehörigkeit zu virtuellen Netzwerke
und Gruppen ausdrückt.
Statt als Mensch einzigartiges original und Persönlichkeit zu sein, sind viele nur Kopien und Abziehbilder von
Meinungsführern und Trendsettern, "Massen"-Produkte oder auch virtuelle Wunschgestalten die ihres Wesens beraubt sind
und kein individuelles Gesicht oder erlebnisreiches "Real-" Leben mehr haben. Diese Entwicklung führt,
besonders ausgeprägt in den Städten und Ballungsräumen, zu einer gewissen Vermassung und Gleichschaltung der Menschen,
auch und gerade der Jugend.
Diesem negativen gesellschaftlichen Trend steht der Wandervogel mit seiner entscheidend anderen Lebensphilosophie entgegen.
Bei uns kommt es auf den Einzelnen an, auf dessen Persönlichkeit, Fähigkeiten und menschliche Werte. Als Wertschema in Bezug
auf den Menschen gibt es bei uns nur den Menschen selbst, mit all seinen Fähigkeiten, Anlagen und Entfaltungsmöglichkeiten,
nicht etwa ökonomischer Nutzen o.ä.
Moden, Trends und Ansichten von Meinungsführern spielen bei uns im Vergleich zur uns umgebenden Gesellschaft nur
eine untergeordnete Rolle.
Aufgabe und Ziel
Unsere Aufgabe und unser Ziel liegt in der Herausbildung der Persönlichkeit und Selbstsicherheit jedes Einzelnen.
Dazu verhelfen uns neben dem gemeinsamen Musizieren, das uns sehr wichtig ist und der ästhetischen und künstlerischen
Bildung, besonders die Forderung und Bewährung auf unseren Fahrten, gerade auch in schwierigen und körperlich
anstrengenden Situationen, sowie das Zusammenleben in der Gruppe und der Umgang miteinander.
Alles in einem Klima in dem Kameradschaft selbstverständlich ist und Freundschaft wachsen kann. Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit
und Ritterlichkeit werden bei uns groß geschrieben. Wir gehen in einfacher und zweckmäßiger Kleidung und Ausrüstung auf Fahrt.
Durch Äußerlichkeiten lassen wir uns nicht blenden.
Wir wollen die Welt erfahren und dabei die eigene wie auch fremde Kulturen kennenlernen, die Fahrt ist auch dazu das beste Mittel.
Wenn man als Fahrtengruppe zu Fuß in fremden Ländern durch die Berge und an der Küste entlang zieht, dabei in Dörfern
und auf Bauernhöfen Halt macht und Menschen begegnet und Kontakte knüpft, öffnen sich Zugänge zu anderen Kulturkreisen, Sitten,
Traditionen und Mentalitäten, wie sie sich durch Filme, Erdkundeunterricht, aber auch durch Pauschalurlaube nie erreichen lassen.
Und wenn man erst einmal unterwegs ist, auf die Gruppe und sich gestellt, frei von den vielen Zwängen unserer so
bequemen und modernen Gesellschaft, erst dann ist man in der Lage, die Welt um sich herum in ihrer ganzen Tiefe und Schönheit
in sich aufzunehmen.
Denn schon nach ein paar Tagen Fahrt stellt sich ein Leerwerden von manchem Schutt der Zivilisation, von der Wichtigtuerei
des Ichs und von mancher Sentimentalität ein. Und dann werden sich Erlebnisse von ganz ungeahnter Art und Kraft melden.
Fels und Wasser, Sonne und Baum und Tier werden auf einmal Stimmen bekommen...
Verwirklichung
Gerade das recht einfache Leben auf Fahrt hilft uns auch zur Natur ein ehrliches, weil nicht aufgesetztes,
sondern einer inneren Liebe entspringendes Verhältnis zu suchen. Auf dieser Grundlage kann dann bei jeden Einzelnen persönliches
Engagement und ein entsprechender Lebenswandel zu deren Erhaltung beitragen.
Durch die Aufgabenübertragung an jeden Einzelnen, der Möglichkeit für alle, auch die Jüngsten, aktiv mitzugestalten und
mitzubestimmen und durch die Förderung der musischen Fähigkeiten rundet sich dieses Bild ab.
Davon profitiert jeder Junge in unseren Reihen ebenso wie die Gemeinschaft der Gruppe, die natürlich mehr ist als die Summe der
Einzelleistungen. Ähnlich wie in einem Chor, der ja letztlich im Ergebnis auch weit mehr ist, als die bloße Addition der Einzelstimmen.
Von einer guten Gruppe profitieren wiederum in erster Linie deren Mitglieder. Deshalb ist all unser Wirken fern von jedem
schulischen und unpersönlichem Anspruch. Was man tut, tut man gewissermaßen für sich selbst.
Bundesgliederung
Die kleine Gruppe, bei uns Horte genannt, ist die Kernzelle all unseren Handelns. In ihr finden sich fünf bis zehn Jungen zusammen.
Die Horte trifft sich regelmäßig zur Gruppenstunde und geht zusammen auf Fahrt, ab und zu am Wochenende und natürlich in den Ferien.
Mehrere Horten zusammen bilden, in Anlehnung an die früheren Ritter- oder Monchsorden, einen Orden. Die verschiedenen orden in unserem
Bund unterscheiden sich in Namen, Stil und Ausrichtung voneinander. Die Zugehörigkeit zu einem orden richtet sich dabei in erster Linie
nach Gesichtspunkten wie Sympathie und geistige Übereinstimmung und nicht nach dem Wohnort. So haben insbesondere die Älteren die Möglichkeit,
sich die Gemeinschaft heraussuchen zu können, die ihren persönlichen Vorstellungen am nächsten kommt. Zur Zeit gibt es in unserem
Bund drei aktive orden mit jeweils mehreren Jungengruppen.
Der Weinbacher Wandervogel ist neben dem Eltern- Älteren- und Freundeskreis, Teil des "Bundes für jugendbewegtes Fahrtenleben e.V."
der als gemeinnützig anerkannt ist.
Jungen- und Lebensbund
Wir sind ein Jungen- und Männerbund, der als Lebensbund gedacht ist. D.h. es gibt keine obere Altersgrenze.
Der Großteil unserer Mitglieder ist allerdings im Jugendalter. Mit beginnender Selbständigkeit, in der Regel etwa mit 11 Jahren
kann sich ein Junge einer Horte anschließen. Ältere, die den eigentlichen Jungengruppen entwachsen sind, aber dennoch weiter
mittun wollen, bleiben meistens in den orden engagiert, finden sich dort zu Älterenfahrten zusammen oder übernehmen Aufgaben im Bund.
Von den Jüngeren akzeptiert zu werden und sich auf ein bewusstes Geben und Nehmen einzulassen und zu akzeptieren,
dass ein Älterer dabei zunehmend in die dem Jungenbund dienende, also diesen fördernde und unterstützende Rolle wächst,
ist ein wesentliches Kriterum um auch als Erwachsener dabeibleiben oder gar neu hinzukommen zu können.
Als Jungenbund können wir besonders auf geschlechtsbezogene Anlagen und Neigungen eingehen und Jungen insbesondere auf Fahrten
entsprechend fordern, zugleich aber auch einen Rückzugsraum bieten, den sie in der heutigen, weitgehend koedukativen Gesellschaft
kaum finden.
Dennoch pflegen wir natürlich viele und sehr gute Kontakte zu anderen Bünden, insbesondere auch zu Mädchenwandervogelbünden, von denen
es ja auch einige gibt. Das gleicht gerade für die Heranwachsenden und Älteren fehlende Facetten des ganzheitlichen Lebensumfeldes
"Wandervogel" wieder aus.
Landheim
In Weinbach im Taunus besitzen wir ein Landheim mit Zelt- und Streuobstwiesen, das von uns in eigener Arbeit errichtet wurde.
Auch hier entfaltet sich ein Teil unseres Bundeslebens. Das gemeinsame Bauen, Brennholzwochenenden und aktive Natureinsätze,
wie die Pflege unserer Streuobstwiesen, das Neupflanzen, Ernten und Keltern vermitteln den Wert der eigenen Hände Arbeit.
So entwickelt man Verantwortung für das Geschaffene.
Einblicke
Unser Bundesleben spiegelt sich auch in den Berichten von Fahrten und spannenden Geländespielen wieder, die in unserem Jahresheft,
dem Leiermann, den man sich gerne von uns zusenden lassen kann, oder zum Teil, noch ergänzt durch Fotos, auch auf unserer
Seite im Internet www.weinbacher-wandervogel.net zu finden sind. Sie sollen das vielfältige Leben unseres Bundes widerspiegeln
und Interessierten einen Einblick in unser Fahrtenleben ermöglichen.
Eine Möglichkeit der Teilhabe bietet auch unser alljährliches Sommerfest in Kleinweinbach, das zumeist Anfang September stattfindet
und natürlich das Meißnertreffen im Herbst 2013, dass sowohl auf dem Lager selbst, mehr aber noch bei der zweitägigen gemeinsamen
Wanderung von Burg Hahnstein zum Hohen Meißner Gelegenheiten fürs gegenseitige Kennenlernen, Gespräche und gemeinsame Singerunden bietet.